Kreativität am Computer?
Ich war letztens in eine Diskussion verwickelt in der es darum ging, ob am Computer Kreativität möglich sei. Das entwickelte sich hin zur Frage, ob motorische Fähigkeiten mittels Computer oder Tablet erlernbar seien.
Das am Computer kreativ gearbeitet wird – na klar, gar keine Frage. Aber ist das wirklich auch motorisches Geschick? Ich meine: nein.
Es mag Ausnahmen geben, wie der Grafiker, der mit dem Zeichentablett arbeitet. Hier ist die Nähe zum „normalen“ Zeichnen sicher sehr eng.
Aber wenn ich zum Beispiel im Sims-Spiel Häuser baue, bin ich natürlich gedanklich kreativ, aber das hin- und her-Schubsen der Maus stellt jetzt keine motorische Meisterleistung dar in meinen Augen.
Liege ich damit völlig falsch?
Ich habe gelesen, dass Jugendliche immer schlechter in der Lage sind, ihre Bewegungen gezielt fein abgestimmt zu kontrollieren. Dies ist zB. notwendig im Sport – ich kenne aus der Leichtathletik die sog. Koordinationsübungen genau für so etwas. Reiten kann ich mir gar nicht vorstellen, wenn ich nicht weiss, wie ich welche Muskeln zu „bedienen“ habe.
Das es auch insgesamt für uns wichtig und notwendig ist, hatte ich mir durchaus gedacht (Thema Synapsenbildung im Gehirn), und wurde bestätigt – s.u.
Und solche motorischen Fähigkeiten sollen durch Übungen am PC oder Tablet geschult werden können? (Das war die These in der Diskussion, und zwar nicht nur von einer Person…)
Beim Googeln habe ich dazu folgenden Artikel etdeckt:
Feinmotorik von Schülern fördern (Betzold Blog)
„In einer Umfrage des Schreibmotorik-Instituts in Heroldsberg und des Deutschen Lehrerverbands von 2015 gaben 83% der befragten Grundschullehrerinnen und -lehrer an, dass die Fähigkeiten, die die Kinder als Voraussetzung für die Entwicklung der Handschrift mitbringen, abnehmen.“ […]
„84% der teilnehmenden Grundschullehrkräfte sehen die Verschlechterung der feinmotorischen Fähigkeiten der Schüler als Ursache für die Probleme mit der Handschrift an. Dicht gefolgt wird diese Annahme von „Zu wenig Übung zu Hause“ (61%) und der „fortschreitenden Digitalisierung der Kommunikation“ (53%).“
Ich muss echt so schmunzeln. In der Diskussion (die übrigens auf Facebook in einem Forum stattfand) wurde mir unterstellt, ich hätte ja keine Ahnung von pädagogischen Dingen. Nunja, fragt sich, wer hier wieviel Ahnung von was hat… Als Kind von gleich zwei Lehrer-Eltern sind Schulthemen nach wie vor auf der Agenda, wenn ich meine Eltern treffe. Obwohl ich zwar selbst keine Kinder habe, interessieren mich die Themen dennoch sehr. Und ein Lehrer/ eine Lehrerin bekommt über die Jahrzente sehr gut mit, wie sich Dinge verändern und entwickeln.
Beim Googeln fallen mir spontan so viele Artikel „in die Hände“, und in wirklich keinem lese ich, wie toll doch mittels digitaler Medien die Motorik geschult werden könne… im Gegenteil.
Natürlich könnte man die Frage stellen: benötigen wir überhaupt noch größere feinmotorische Fähigkeiten, wenn doch sowieso alles mittels PC und Co. erledigt wird?
Dazu fand ich folgendes Interview interessant:
Interview mit Stephanie Müller (Kunst & Medienpädagogin) auf Youtube
Sie sagt: Neurophysiologisch ist nachgewiesen: feinmotorische Verknüpfungen sind Vorraussetzung für kognitives Lernen
Sie sagt auch: Nutzung eines (guten) digitalen Stiftes ist dem „analogen“ Stift gleichsetzbar. Allerdings fehlt die Haptik des Papiers.
Noch folgender Satz von ihr zur Tabletnutzung:
„Egal, was auf dem Tablet angezeigt wird, am Ende fassen die Kinder nur auf eine Glasscheibe“.
Was mich nun wiederum betroffen macht: wie ignorant und naiv anscheinend viele dahingehend unterwegs sind. Leider kann ich die Postings aus der Diskussion nicht zitieren, denn sie wurden teilweise gelöscht (da wurde zum Teil echt rüde beleidigt, unglaublich).
Aber da wundert mich der Befund vieler Lehrer/innen s.o. natürlich überhaupt nicht. Lesen die Eltern keine Zeitung (oberhalb Bild-Niveau) ? Informieren sie sich nicht? Oder ist es ihnen schlicht egal? Es ist natürlich viel anstrengender, mit dem Kind zu basteln, zu malen, usw., als es mit dem Tablet in die Ecke zu setzen. Später bekommt das Kind dann die Ergotherapie verschrieben, da muss man sich auch nicht selbst kümmern.
Ok, das ist jetzt sehr polemisch, aber leider vielleicht nicht allzuweit von der Realität entfernt.
Man merkt meinem Beitrag an, wie sehr mich diese Diskussion aufgeregt hat. Ich könnte die (…zensiert…) schütteln für ihre Dummheit und Naivität. Wie kann man denn ernsthaft der Meinung sein, das Bewegen der Maus wäre gleichgestellt dem zB. Formen einer Knetfigur ?? IMHO: je mehr Knetfiguren ich forme, desto besser kann ich mit der Maus umgehen. Aber niemals andersherum!
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