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Woking

Anlaß: Immer noch eine Antwort auf Neons Kommentar unter meinem Post

Ist Gendern nur woker Mist?

DarĂŒber wird ja heftig gestritten. Sollte frau es sich tatsĂ€chlich mal antun, einschlĂ€gige Kommentarseiten zu lesen, könnte man den Eindruck bekommen, den kommentierenden MĂ€nnern wird dadurch sofort ihr bestes StĂŒck abfallen oder abgeschnitten werden. Mindestens aber ist dadurch die gesamte Menschheit akut bedroht und in Gefahr, unterzugehen. Dies alles wird in Ă€ußerst gewĂ€hlte Worte verpackt, die Lust machen, mit zu diskuitieren. NICHT.

So.

Als Betroffene

Ich nehme mir heraus, zu dem Thema aus der Perspektive einer einschlĂ€gig Betroffenen diskutieren zu dĂŒrfen – nĂ€mlich als Frau.

Und dies ist meine Meinung dazu:

Ich sehe es nicht ein, mich als Frau durch rein mĂ€nnliche Formulierungen mit angesprochen wĂ€hnen zu mĂŒssen. Kein Mann wĂŒrde sich den umgekehrten Sprachgebrauch gefallen lassen.

Das sogenannte generische Maskulinum (ich geh mal kurz zum Lachen in den Keller) ist IMHO eine absolute Farce. Es ist durch Studien mitlerweile recht gut belegt, dass bei rein mĂ€nnlichen Bezeichnungen niemand die Frau „mitdenkt“, wie das doch angeblich dadadurch ausgedrĂŒckt sein soll.

Wenn ich „Pilot“ oder „Arzt“ lese, habe ich zu 99% eine mĂ€nnliche Person vor Augen, und nicht eine Frau.

Mal davon abgesehen, dass ich mich dadurch als Frau in keinster Weise angesprochen oder reprĂ€sentiert fĂŒhle – wieso ist das denn nun de facto ein Problem?

Weil Frauen bei der rein mÀnnlichen Sprachverwendung schlicht nicht vorkommen! Der dadurch dargestellten, kommunizierten und damit auch in den Gedanken vorhandenen Welt fehlen nahezu völlig die weiblichen Personen!

Ja, natĂŒrlich wird rein durch das Gendern keine Frau besser bezahlt. Und dadurch Ă€ndern sich auch nicht schlagartig jahrzehntealte MißstĂ€nde. Soweit d’accord.

Aber es trĂ€gt beispielsweise dazu bei, dass MĂ€dchen bei der Berufswahl als weibliches Vorbild nicht mehr nur die „Zahnarztfrau“ kennen, sondern auch die ZahnĂ€rztin, die Pilotin, die Ingenierin usw. Und Vorbilder sind erwiesenermaßen sehr wichtig, wir orientieren uns an ihnen.

Wie soll ein MĂ€dchen von einem KfZ-Mechatroniker auf sich selbst als mögliche Option schließen? Das fĂ€llt doch deutlich schwerer als die Ableitung von der Mechatronikerin. Gleiches gilt ĂŒbrigens fĂŒr Stellenanzeigen. Rein mĂ€nnlich formulierte Stellenanzeigen sprechen Frauen deutlich weniger an, sie haben deutlich seltener das GefĂŒhl, sich darauf erfolgsversprechend bewerben zu können, und genau das können wir uns doch gar nicht mehr leisten. Zum Thema Stellenanzeigen könnte ich direkt einen eigenen Artikel verfassen…

Ich bin fest davon ĂŒberzeugt: durch das Sichtbarmachen der Frauen tut sich auch etwas in der Wahrnehmung und im Denken der Menschen!

Und wie jetzt?

Ich selbst nutze ja den Doppelpunkt zum Gendern, weil mir das Schreiben sowohl der weiblichen Form als auch der mĂ€nnlichen zu viel Arbeit ist. Weiterhin nutze ich so oft es möglich ist neutrale Formulierungen wie „Studierende“ statt „Studenten“. Mit ein bißchen Wollen klappt das schon.

Oder einfach die weibliche Form nutzen, why not 🙂 In meiner Ex-Ex-…Firma habe ich mal einen Text (ich weiß leider nicht mehr, was der Anlass war) rein in der weiblichen Form geschrieben – mein damaliger Chef fands voll gut 🙂

Lesenswert

Vgl. dazu auch Wikipedia und diese Artikel: „Diagnose: „MĂ€nnersprache““ und „Zwischen berechtigtem Anliegen und bedenklicher Symbolpolitik

Stell Dich nicht so an

Uns Frauen wird gerne vorgeworfen, wir sollen uns mal nicht so anstellen, das seien doch alles Kinkerlitzchen, oder „woker Scheiss“, völlig ĂŒberzogen.

Liebe MĂ€nner, ich glaube nicht, dass ihr Euch wirklich real vorstellen könnt, mit welchen Themen und Schwierigkeiten wir Frauen uns alltĂ€glich rumĂ€rgern mĂŒssen. Denn es betrifft Euch schlicht nicht, Null, nada!

Ich will jetzt nicht hören – jaaaa, aber wir haben ja auch unsere Probleme und Schwierigkeiten. Ja, logisch, geschenkt! Das eine kann und soll jedoch nicht gegen das andere aufgerechnet oder abgewogen werden. Dies ist kein Wettkampf. Sondern es geht um VerstĂ€ndnis und MitgefĂŒhl fĂŒr die jeweils andere Situation & Perspektive.

I have a dream

FĂŒr einen Tag drĂŒcken sich alle ausschließlich in der weiblichen Form aus, <gönnerhafter Tonfall> die MĂ€nner sind dann natĂŒrlich mitgemeint. Anschließend können wir dann ĂŒber das Gendern weiterreden, liebe MĂ€nner…

Außerdem: leider traue ich mich inzwischen öfter mal nicht mehr, fĂŒr die gendergerechte Sprache einzustehen, das Mit-Nennen der Frauen einzufordern. Zu oft fĂŒrchte ich negative Kommentare oder Ă€hnliches. Und alleine das stinkt mir gewaltig.

Post Scriptum

Wer hier bisher gar nicht vorkommt sind nicht-binĂ€re Menschen. Damit tue ich mich auch noch etwas schwer. Aber prinzipiell bin ich der Meinung: ich stecke nicht in deren Haut, ich kann daher deren Befindlichkeiten nicht abschĂ€tzen und darf sie schon gar nicht bewerten. Was ich jĂŒngst gelernt und verstanden habe, ist, das sojemand eben zurecht ein Problem damit hat, als „er“ oder „sie“ tituliert zu werden.

Post Scriptum 2

Mir ist völlig klar, dass es auch ettliche Frauen gibt, denen das Gendern völlig egal ist, die sich selbst mit der mĂ€nnlichen Berufsbezeichnung vorstellen usw. Meiner Erfahrung nach haben diese sich bisher nie mit dem Thema beschĂ€ftigt, sie halten es fĂŒr unnötig, tappen aber in die gleichen Fallen (auch sie stellen sich bspw. nur mĂ€nnliche Personen vor, wenn die mĂ€nnliche Bezeichnung genannt wird, ich habs getestet). Sie sind also IMHO kein Argument dafĂŒr, dass das alles total ĂŒberflĂŒssig ist, sondern sie sind ĂŒberwiegend leider einfach nur genauso ahnungslos wie (gefĂŒhlt) die meisten MĂ€nner diesbzgl.

Und was ist mit „Woke“?

Viel, was damit einherkommt, ist auch mir suspekt. Beispielsweise diesen Strömungen, das Geschlecht nur noch als soziokulturell einzuordnen und es vom biologischen Geschlecht abzukoppeln, kann ich nichts sinnvolles abgewinnen. Auch gibt es BemĂŒhungen aus diesem Umfeld heraus, die rein das Non-Cis betonen und damit IMHO deutlich antifeministisch sind (so auch von Feministinnen beklagt). Auch dieses ganze Moralisieren geht mir gegen den Strich. Was unter der Überschrift „kulturelle Aneignung“ passiert, finde ich grĂ¶ĂŸtenteils absolut unverstĂ€ndlich und völlig daneben. Die Cancel-Culture sehe ich als gefĂ€hrlich an, sie verhindert jeden wissenschaftlich & politisch notwendigen Diskurs.

Herzensthema

Mir liegt der Feminismus schon sehr lange sehr am Herzen. Vielleicht weil ich als SchĂŒlerin eines reinen MĂ€dchengymnasiums frĂŒh mit Geschlechterrollen zu tun hatte und mich das Thema daher schon sehr frĂŒh zu interessieren begann.

BTW

NatĂŒrlich darf jede:r eine abweichende Meinung zu den Themen haben, selbstredend. Solange die Diskussion sachlich bleibt (und nur ich emotional werde đŸ€Ł) passt das schon.