Philosophische Selbstbetrachtung
Wenn ich so zurückblicke auf die letzten 5, 10 Jahre, stelle ich fest, daß ich mich doch in manchen Dingen ziemlich verändert habe. Ich habe mich weiterentwickelt aus der Erziehung meiner Eltern heraus. Meine Eltern sind von ihrer Einstellung und ihren Werten her recht konservativ. Das finde ich nicht per se schlecht, mit dem Gegenteil könnte ich zum Beispiel gar nix anfangen. Meine eigenen Ansichten jedoch sind über die letzten Jahre zunehmend liberaler geworden. Die Kinder sind ja meistens offener und toleranter als die Eltern, sicherlich auch aus mangelnder Lebenserfahrung, aus Naivität, aber vielleicht auch aus einem anderen Lebensgefühl her. Schließlich wachsen die Kinder zu einer anderen Zeit auf wie die Eltern, das prägt. Mir kommt es im Gegenzug so vor, als ob meine Eltern mit dem Älterwerden konservativer werden. Auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Am deutlichsten aufgefallen ist mir das, als wir letztes Jahr über Beziehung, Ehe usw. diskutierten. Mir war das bis dahin gar nicht so nicht bewußt gewesen, wie weit unsere Vorstellungen dazu auseinanderliegen.
Meine Eltern sind eindeutige Vertreter des „alten“ Ideals. Man lernt den Partner fürs Leben kennen, heiratet, bekommt Kinder, und ist dann glücklich. Natürlich mit Hochs und Tiefs, aber Stabilität. Als Idealbild finde ich das durchaus okay, wenn man das Glück hat, solches zu finden.
Dann gibt es noch die andere Realität. Bis Ende 20 hatte ich bei meinen Beziehungen nicht den Anspruch, das ist ES. Es dauerte, solange es dauerte. Natürlich durchlebte man Krisen und raufte sich wieder zusammen, oberflächlich war das trotzdem nicht. Aber eben auch nicht mit dem Anspruch: das ist der Mann, mit dem ich den Rest des Lebens verbringen werde.
Meine Eltern waren immer der Ansicht, ich suche (ab einem gewissen Alter) den Mann fürs Leben. Und daher waren dann die Trennungen von meinen Freunden für meine Eltern auch sehr belastend. Sie sahen quasi meinen Lebensweg platzen.
Meine Eltern sind auch strikt der Meinung, wenn man dann den Partner fürs Leben gefunden hat, wird geheiratet. Das ist natürlich keine Totalabsicherung, aber gibt nochmal Stabilität.
Das sehe ich mitlerweile durchaus anders. Zum einen: das man den Partner fürs Leben gefunden hat weiß man, wenn das Leben rum ist. Aber natürlich kann man mit jemanden das Gefühl haben – das paßt. Aber das Heirat die Stabilität einer Partnerschaft verstärkt glaube ich einfach nicht. Auch ohne Trauschein trennt man sich in einer ernst gemeinten, auf Dauer ausgelegten Beziehung nicht einfach so.
ich sehe es als Hilfe bei bürokratischen Dingen, auch spart man eventuell Geld dadurch (Steuern), und natürlich ist es auch ein Zeichen der Geminsamkeit, der Verbundenheit.
Ich stehe dem Heiraten absolut nicht negativ gegenüber, kann es mir für mich durchaus vorstellen, aber als Add-On, als Added Value, sicher nicht als moralische oder gar gesellschaftliche Pflicht. (Kommen Kinder ins Spiel, finde ich eine Herirat allerdings schon wichtiger, zB. aus monetären Absicherungsgründen).
Auch bin ich insgesamt lockerer geworden, finde ich. Ich schaffe es jetzt durchaus (im Berufsverkehr und nachdem ich mich informiert habe, wie oft die Bahn fährt), einfach so zur Haltestelle zu laufen ohne festen Abfahrtstermin, und dann beim Umsteigen auch einfach die nächste Bahn, die kommt, zu nehmen. Es kommt eh immer anders, als in den Fahrplänen…. – und so ist alles viel entspannter ! Funktioniert aber nur, solange man nicht morgens gleich früh einen Termin im Büro hat.
Länger unterwegs ist man dadurch auch nicht.
Liegt das am Älter-werden ?
Ich weiß nicht. Früher kam es mir oft so vor, als ob alle anderen voll locker drauf waren, und ich halt nicht so. Aber der Eindruck kann auch total getäuscht haben, und mir kam es einfach nur so vor. Auch hat sicher jeder Mensch Bereiche, in denen er/sie lockerer ist, und andere, in denen es eben geregelter zugeht.
Aber: ich ertrage im Gegensatz zu vor 5 Jahren manche Eigenarten und Rituale meiner Eltern immer schlechter. In dieser Hinsicht werde ich intoleranter. Das sehe ich, wenn ich mein Verhalten mit dem meines jüngeren Bruders vergleiche. Allerdings empfinde ich mich selbst hierbei nicht unbedingt als positiv.
Eigentlich neige ich nicht zum philosophieren, zumindest nicht über theroretische, abstrakte Dinge. Über technisches, wissenschaftliches kann ich stundenlang spekulieren und diskutieren. Die blanke abgehobene Theorie ist mein Ding nicht, nein.