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Erst die Mädchen, nun die Jungen

Nachdem die Benachteiligung der Mädchen in der Schule (und drumherum) in den 60ern Gehör gefunden hatte, und entsprechende Maßnahmen ergriffen wurden, kommen nun die Jungs in den Fokus.

Die modernen Lehrmethoden und auch die späteren beruflichen Anforderungen (Soft Skills) liegen eher den Mädchen. Jungen haben erstaunlicherweise europaweit nach wie vor ein sehr traditionelles Rollenbild, in dem sie sich rein in der karrieremachenden Ernährerrolle sehen. Wohingegen Mädchen das gesamte Spektrum für sich entdeckt haben, sozusagen die 4K: Kind, Küche, Kirche – und Karriere. Dagegen kann sich nur eine Minderheit der Jungs eine echte Arbeitsteilung mit der späteren Partnerin vorstellen.

Jungs stellen den Hauptanteil an Haupt- und Sonderschulen, sie brechen die Schule viel häufiger als Mädchen ohne Abschluß ab. Sie sind gefangen in ihrem Machogehabe, legen eine erstaunliche Selbstüberschätzung an den Tag sowohl was körperliche Fähigkeiten angeht, als auch hinsichtlich der eigenen schulischen Leistungen.

Das beginnt schon im Freizeitverhalten. Mädchen spielen kreativ, sie binden sportliches, musisches, kreatives mit ein, sie lesen viel mehr. Jungs trainieren vor allem 2 Sinne: den Gehör- und den Sehsinn – am PC. Dadurch fehlen ihnen wichtige Bildungsmotivationen und -impulse.

Es gibt mitlerweile einige Studien zu dem Themenkomplex. Die Ursachen sind vielfältig, mit ein Grund scheint wohl die „Verweiblichung“ der Erziehung zu sein, sprich es gibt kaum kaum männliche Erzieher und Grundschullehrer, die den Jungs ein männliches Rollenverhalten vorleben und sie zu differenzierten Sichtweisen animieren können.

Mitlerweile wird mit zeitweise geschlechter-getrenntem Unterricht versucht, Jungs rollenspezifisch zu fördern. Das, was früher den Mädchen zugute kam (und IMHO noch kommt), kann ebenso auch positiv für Jungs sein.

Ich finde es gut, daß hier Aufmerksamkeit entsteht. Schließlich sollten nicht die gleichen Fehler, mit denen Mädchen Jahrzehnte zu kämpfen hatten (geschlechtsspezifische Benachteiligung), nun auch die Jungs treffen. Je früher hier entgegen gesteuert wird, desto besser für alle.

Ich hatte mir da bisher nicht viele Gedanken drüber gemacht, wie schwierig die moderne Gesellschaft für Jungs sein kann. Ich war immer bißchen feministisch davon ausgegangen, daß viele Frauen im Umgang den Jungs doch positive Impulse geben müßten, gerade was Softskills angeht.
Aber ich finde es völlig nachvollziehbar, daß Mädchen sich an Frauen orientieren, und Jungs eben an Männern. Und wenn keine Männer da sind ? Wie sollen sie dann für sich ein männliches Rollenverständnis entwickeln, das über das althergebrachte, bekannte, hinausgeht ? Sich also weiterentwickelt vom Ernährer und „kraft-strotzenden Kerl“ hin zu sensiblen Männern, für die Kind und Küche ebenso interessant und erstrebenswert sein können ?
Was mich ein wenig wundert: in den Artikeln war von der Rolle der Eltern irgendwie keine Rede. Die spielen doch wohl auch da mit hinein ?

(Eine Anmerkung: natürlich sind nicht alle Jungs so, natürlich sind nicht alle Mädchen so)

Ich interessiere mich schon sehr lange für diese Thematik, vielleicht da Lehrerkind, vielleicht auch, weil ich auf einem Mädchengymnasium war, etwas technisches studiert habe und in einem „Männerberuf“ arbeite…

(Und noch eine Anmerkung: im beruflichen Umfeld ist die Gleichberechtigung, zum Nachteil der Frauen, noch längst nicht erreicht. Aber das ist ein anderes Thema…)

Quellen (Zeit.de):
»Lasst sie Männer sein«
Jungen stehen im Schatten leistungsfähiger Mädchen. Es wird Zeit, ihnen zu helfen

Die Krise der kleinen Männer
Jungen sind die neuen Sorgenkinder des Bildungssystems. Sie kommen mit den veränderten Anforderungen der Schule schlechter zurecht als Mädchen. Getrennter Unterricht könnte beiden Geschlechtern helfen.