Auf der Arbeit

Schutz oder Bremse?

Was ist die Aufgabe eines Betriebsrates (BR)? Ich dachte immer, die Interessen der Arbeitnehmer*innen gegenĂŒber der (per se bösen) Arbeitgeberschaft zu vertreten. Eigentlich durchaus sinnvoll! Außerdem anscheinend auch noch, auf die Einhaltung von Normen und Vorschriften zu achten. Das bedeutet zum Beispiel, uns böse auf die Finger zu kloppen, wenn wir versehentlich mehr als 10 Stunden gearbeitet haben (ja, wir haben ein Zeiterfassungssystem…).

Wie erlebe ich ihn hier? Wir blockieren alles Neue! Neues ist schlecht und dient ganz sicher nur der Kontrolle und Ausbeutung der Mitarbeitenden.

Mitspracherecht

Leider hat der BR ein Mitspracherecht bei der Auswahl und dem Einsatz von Arbeitsmitteln. Das bedeutet, bei jeder EinfĂŒhrung von neuen Anwendungen oder Änderung an Anwendungen muss man dadran vorbei.

Zum einen dauert das alles ewig, da die zustĂ€ndigen Gremien natĂŒrlich nicht stĂ€ndig tagen (ich meine, 4*/ Jahr?), mit elendlangen Vorlaufzeiten.

Zum anderen werden Anwendungen so kastriert, das niemand mehr Lust drauf hat, sie zu nutzen. Hier bei uns z.B. Sharepoint.

Nutze die Freiheit, so lange sie existiert

In der IT (und zunehmend auch in Fachbereichen) setzen wir daher schon lĂ€nger Confluence (Dokumentationstools) und JIRA (Aufgabenmanagement/ Kanban-Tool) ein. FĂŒr die beiden gab es eine sogenannte Duldungsvereinbarung. Da ist bisher noch nix durchreguliert, sie sind so flexibel nutzbar, wie wir das brauchen, und wie es Sinn & Spaß macht.

Nun soll in den beiden Tools eine Anwendung abgebildet werden als Ablösung einer bestehenden KrĂŒcke. DafĂŒr ist jedoch die Voraussetzung, dass eine sogenannte Betriebsvereinbarung dazu geschlossen wird zwischen dem Unternehmen und dem BR. Darin wird genau geregelt, in welchem Umfang und wofĂŒr diese Tools genutzt werden dĂŒrfen.

Wir haben jetzt große Bedenken, dass Confluence und JIRA damit genauso unbrauchbar zusammengestampft werden wie seinerzeit Sharepoint.

Ich kapiere es nicht

Mir will das nicht in den Kopf hinein. Die Leute arbeiten freiwillig mit Confluence und JIRA, weil die Nutzung einfach easy ist, das Handling modern und flexibel.

Wieso sieht sich ein BR nicht genau dafĂŒr zustĂ€ndig? Das Tools möglichst gut nutzbar sind? Dass die Leute Spaß haben, damit zu arbeiten? Das die Tools gut an die jeweiligen BedĂŒrfnisse angepasst werden können, das jede*r optimal damit arbeiten kann?

Wenn ein BR sich fĂŒr die BedĂŒrfnisse der Arbeitnehmerschaft einsetzt, mĂŒsste es ihm doch genau darum gehen, dass die Tools bestens unsere BedĂŒrfnisse erfĂŒllen.

Stattdessen wird reguliert und abgeklemmt – diese Funktion darf nicht verwendet werden, jene muss gesperrt werden… immer unter dem abstrakten Verdacht, damit könnte ja irgendeine Kontrolle ausgeĂŒbt werden.

Und wir als ITler*innen scheinen zum Feindbild dazuzugehören.

Wer etwas will, findet Wege

Wie sagte die Kollegin in einer Telco die Tage: „Und wenn der Betriebsrat Confluence so einschrĂ€nkt wie Sharepoint, dann haben wir in der IT eben ganz schnell ein neues Tool, mit dem wir vernĂŒnftig arbeiten können, bis der BR drauf springt“.

Das kann es doch nicht sein, oder??? FĂŒr mich ist das eine verkehrte Welt. Meine berufliche Laufbahn fing in einem jungen Consulting-Unternehmen an, in dem wir stolz darauf waren, keinen Betriebsrat zu haben. Und ganz ehrlich – mir gefĂ€llt diese Welt auch besser.

Mir ist schon klar, dass BRs per Se wichtig und natĂŒrlich in vielen Unternehmen auch wirklich notwendig sind. Aber IMHO immer unter der PrĂ€misse, dass sie auch tatsĂ€chlich die MAs vertreten, und nicht, aus welchen GrĂŒnden auch immer, gerade in der heutigen Zeit! rein als Bremser und Bewahrer um jeden Preis auftreten.

Ich bekomme jedenfalls mittlerweile ein P in den Augen, wenn ich das Wort „Betriebsrat“ oder „Mitbestimmungspflichtig“ nur höre.