Agile Project?
Hm. Ich bin seit ein paar Wochen in einem „Projekt“ drin, das nach Scrum und ĂŒbergeordnet nach SAFe arbeitet (allerdings ohne die Portfolio-Ebene).
Die Methode
Scrum ist eine Methode aus der agilen Softwareentwicklung. Ich habe theoretisch natĂŒrlich damit schon zu tun gehabt, aber bisher noch nicht in einem echten derartigen Projekt gearbeitet. SAFe skaliert Scrum-Teams und macht so das Arbeiten an gröĂeren Projekten, in denen mehrere Scrum Teams benötigt werden, möglich.
Organisiert wird das alles als ART = Agile Release Train. Wichtiger Bestandteil ist das sogenannte PI Planning oder Big Room Planning genannt. Ein PI ist ein Program Increment, und beinhaltet mehrere Sprints (Entwicklungsphasen mit vorher genau geplanten und festgelegten Ergebnissen), fĂŒr die geplant wird. Unsere Sprints dauern 2 Wochen, ein PI besteht aus 4 echten Sprints und einem Inspect & Adapt Sprint.
Vergangene Woche war nun das 7. PI Planning, aber das erste, an dem ich teilnahm.
Es treffen sich dafĂŒr alle Beteiligten in einem Raum, und planen ĂŒber 1,5 Tage das nĂ€chste Program Increment. Dabei wird natĂŒrlich je Team geplant, wichtiger ist aber das Erkennen und Bewerten von AbhĂ€ngigkeiten ĂŒber Teams hinweg. Bei Scrum ist eine maĂgebliche GröĂe die Team-Velocity, also wieviel kann das Team in einem Sprint an Arbeitsleistung erbringen (berechnet auf Grundlage der bisherigen Lieferleistungen). Davon abhĂ€ngig wird festgelegt, welche Inhalte das Team bearbeiten kann. Im Gegensatz zum klassischen Vorgehen, wo meist das Ziel feststeht, und die TeamgröĂe angepasst wird, ist hier also das Ziel (bzw. die Lieferergebnisse) variabel, und Team + Zeit fix.
Cloud
Das „Projekt“ dreht sich um das Bereitstellen einer OnPremise-Cloud-Infrastruktur-Platform (also eine Plattform, die mit State-Of-The-Art Techniken arbeitet wie Kubernetes („K8s“ in Nerdistan đ – bloĂ keinen Buchstaben zuviel schreiben – zwischen K und s befinden sich 8 Buchstaben, daher die 8), Kafka, Elastic, PostgreSQL, einer CI/CD-Pipeline (Continuos Integration/ Continuos Delivery) etc., dabei aber lokal bei uns in den Rechenzentren lĂ€uft. Stichworte sind z.B. Container, Docker, Skalierung, SaaS (Software as a Service), IaaS (Infrastructure as a Service), PaaS (Platform as a Service) u.v.m. Ziel ist immer das schnelle Ausrollen von Neuerungen sowie Ausfallsicherheit.
FĂŒr mich ist diese Welt ĂŒbrigens auch noch relativ neu. Ich bin ja auch in der klassischen IT groĂ geworden. Als ich studiert habe, war von Cloud Computing noch nix zu hören (in Labors vielleicht schon… Anfang der 1990er wurde die Verteilung von Computern auf das Netz prophezeit, 1995 gab es erste Systeme, die man heute als Cloud bezeichnen wĂŒrde). Und bei meinen bisherigen Arbeitgeberinnen war das auch noch kein Thema gewesen.
„Fertig“ war gestern
Projekt in AnfĂŒhrungszeichen, da es sich eigentlich nicht um ein Projekt im klassischen Sinne handelt, das irgendwann zu Ende ist und die Plattform dann dasteht und betrieben wird. Sondern eine solche Umgebung lebt, und zwar ziemlich schnell. Die Tools Ă€ndern sich, die Methoden, usw.
Daher ist so etwas nie fertig, es ist bestĂ€ndig im Wandel. Ok, das ist sowieso ein Merkmal der „neuen“, digitalen Welt – Stillstand oder „Fertig“ gibt es nicht mehr.
Operability
So. Und was mache ich in dem Ganzen?
Die „Cloud-Jungs“ (tatsĂ€chlich habe ich in den 2 Tagen PI Planning mit ca. 50 Personen) gerade mal 3 weitere Frauen entdeckt… eine Business Ownerin, eine ist externer Coach, eine arbeitet im Test Team, und ich) haben bisher hauptsĂ€chlich sehr explorativ am Aufbau der Umgebung gearbeitet. Derzeit laufen auch noch keine unternehmenskritischen Anwendungen darauf. Nun muss das Ganze aber betriebsfertig aufgestellt werden. Sprich Belange wie Revisionsanforderungen, Wartbarkeit, Dokumentation, UnterstĂŒtzung durch unser 24/7 Operating, Einbindung in Change & Incident Prozesse etc. mĂŒssen allmĂ€hlich implementiert/ erledigt werden. Und in diesem Team bin ich beheimatet, das sich genau darum kĂŒmmert.
Wir stellen also auch Anforderungen, die auf wenig Gegenliebe stoĂen, da sie ein StĂŒck weit ein Erwachsenwerden der Bastelstube fordern.
Das ist aber gar nicht mein Problem. Das macht mir ja prinzipiell SpaĂ.
Formalismen
Nein, ich tu mich im Moment noch etwas schwer mit der Arbeitsweise. Mir ist da einiges deutlich zu formell dran. Scrum und SAFe bedeuten eben verschiedenste Formalien, die wahrscheinlich auch Sinn machen, damit die ĂŒbergreifende Zusammenarbeit funktioniert. Nur bin ich eben eher die Macherin. Bevor ich ewige Zeit mit Planen verbringe, tu ichs lieber gleich.
Wir verbringen gefĂŒhlt 50% unserer Zeit damit, ĂŒber Methodisches zu reden statt ĂŒber Inhalte. Und in diesem Team sind wir bis auf einen alle nur mit 1 Tag/ Woche dabei, also nicht unendlich viel Zeit.
Ein weiterer Punkt ist, dass ich irgendwie mit der Denke unseres Product Owners nicht so ganz klarkomme. Ich mag ihn wirklich, er ist auch ein ganz netter. Aber wenn wir ĂŒber Dinge diskutieren, merke ich, dass ich völlig anders denke. Und das macht es fĂŒr mich schwierig. Ich kann nicht richtig meine Punkte einbringen, weil sie nicht passen, jetzt da nicht hingehören, in eine andere Richtung gehen, whatever….
Aber wahrscheinlich muss sich das erst noch einspielen. So richtig ins Arbeiten sind wir bisher noch gar nicht gekommen, das fÀngt endlich kommenden Freitag an.
Ich bin gespannt und warte ab.
Nachtrag
Als ich den Artikel geschrieben habe und durchlas und ergĂ€nzte und korrigierte und etwas recherchierte und wieder was hinzufĂŒgte – und schluĂendlich fand, das ich doch nur an der OberflĂ€che kratze – ist mir bewusst geworden, wie komplex das ganze ist, wieviel ich offensichtlich darĂŒber nun schon gelernt habe, und wie schwer das in einfachen Worten zu erklĂ€ren ist (und ja ich weiss, ich habe oben viel zu viele Fachbegriffe verwendet)….
Schöne neue Welt. Bei uns wirft man mit diesen Begriffen auch um sich, will es gar in den normalen Betrieb ĂŒberfĂŒhren, was bisher völlig misslungen ist. Daher beschĂ€ftigt sich die halbe IT momentan mehr mit sich selbst als mit den eigentlichen Aufgaben.
Also viel GlĂŒck bei der Umsetzung!
In den Betrieb ĂŒberfĂŒhren macht im Sinne einer DevOps-Organisation IMHO ja durchaus Sinn. Das o.g. Cloud-Team arbeitet auch in Teilen in einer DevOps-Organisationsstruktur.
Bei uns ist der Druck ganz klar: Time To Market. Wir sind viel zu langsam gewesen, was allerdings ganz viele Ursachen hat. Zu Wenig Automatisierung, viel zu viel KnowHow nur in Köpfen, unsere Fachbereiche sind noch viiiiel hierarchische und klassischer unterwegs als wir in der IT. usw. etc. pp.
Aber man merkt – es tut sich was. Das geht nicht von heute auf morgen, ganz klar. Und der wichtigste, aber auch schwierigste Part ist der Kulturwandel.
Und, wie Du auch schreibst, dabei dennoch die eigentlichen Aufgaben zu erfĂŒllen ist manchmal echt nicht einfach.